Matrix für mobilen Erfolg

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Soll hybride Zusammenarbeit produktiv sein, müssen Führungskräfte und Teams zwei Achsen berücksichtigen: Ort und Zeit. Doch es gibt keine Blaupause, die für alle funktioniert. Ein Leitfaden für einen gemeinsamen Weg in die Zukunft.

Wir werden nicht zurückkehren", sagte Hiroki Hiramatsu, der globale Personalchef des japanischen IT-Konzerns Fujitsu, bereits im September 2020. "Die zwei Stunden, die viele Menschen mit Pendeln verbringen, sind Zeitverschwendung – wir können diese Zeit sinnvoller nutzen, für Weiterbildungen, Trainings und Augenblicke mit unseren Familien."

Seit Jahren hatte Fujitsu das Thema "flexibles Arbeiten" auf der Agenda – de facto hatte sich jahrelang wenig verändert. Laut einer internen Umfrage betrachteten mehr als 74 Prozent der Beschäftigten in Japan das Büro als den besten Ort zum Arbeiten. Nach den ersten Monaten im Homeoffice während der Pandemie änderte sich diese Haltung von Grund auf. Laut einer Folgebefragung unter 80.000 Fujitsu-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern im Mai hielten nur noch 15 Prozent der Beschäftigten das Büro für den besten Ort zum Arbeiten. Etwa 30 Prozent gaben an, der beste Ort sei ihr Zuhause. Und die restlichen 55 Prozent sprachen sich für eine Mischung aus Homeoffice und Büropräsenz aus – ein Hybridmodell.

Seit zehn Jahren leite ich das Future of Work Consortium, einen Verbund, der mehr als 100 Unternehmen aus aller Welt zusammengebracht hat, um Zukunftstrends zu erforschen, vorbildliche aktuelle Praxisbeispiele zu identifizieren und von neuen Modellversuchen zu lernen. Seit der Pandemie habe ich unsere Forschung auf die außergewöhnlichen Auswirkungen fokussiert, die Covid-19 auf die Arbeitswelt hat. In diesem Zuge habe ich ausführliche Gespräche mit zahlreichen Führungskräften geführt. Viele berichten genau wie Hiramatsu, dass sie in unserem kollektiven Ringen, sich der Pandemie anzupassen, einen Silberstreif am Horizont entdeckt haben: Angesichts der erstaunlichen Geschwindigkeit, mit der Unternehmen virtuelles Arbeiten eingeführt haben, und der Tatsache, dass die meisten Mitarbeiter nicht zu den Arbeitsweisen der Vergangenheit zurückkehren wollen, sehen sie eine einmalige Gelegenheit, Arbeit neu zu gestalten. Das Hybridmodell wird uns ermöglichen, unser Arbeitsleben sinnerfüllter, produktiver, agiler und flexibler zu gestalten, wenn wir es richtig anpacken.

Führungskräfte müssen allerdings umdenken – und etwas tun, was sie bislang nicht gewohnt waren: Sie müssen hybride Arbeitskonzepte entwickeln, die den Belangen der Menschen Rechnung tragen – und nicht nur denen der Unternehmen.

Die Elemente hybriden Arbeitens

Um hybride Arbeit richtig zu konzipieren, gilt es, zwei Achsen zu berücksichtigen: Ort und Zeit. Der Ort ist die Achse, die in den vergangenen Monaten viel Aufmerksamkeit erhalten hat. Genau wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Fujitsu haben Millionen Beschäftigte weltweit im vergangenen Jahr einen abrupten Wechsel von ortsgebundener Arbeit (im Büro) zu ortsungebundener Arbeit (an jedem beliebigen Ort) vollzogen. Weniger Beachtung hat die Verschiebung entlang der Zeitachse gefunden, die viele Menschen parallel vollzogen haben: von zeitlich gebundenem Arbeiten (synchron mit anderen) zu zeitlich ungebundenem Arbeiten (asynchron, wann immer sie wollen).

Um Managern zu helfen, die zweidimensionale Natur des Problems zu erkennen, verwende ich seit Langem eine einfache 2x2-Matrix, die entlang dieser Achsen aufgebaut ist (siehe Grafik "Wie sich Arbeitsmodelle nach Ort und Zeit unterscheiden"). Vor Corona boten die meisten Unternehmen nur minimale Flexibilität hinsichtlich beider Dimensionen. Damit befanden sie sich im unteren linken Quadranten: Die Beschäftigten arbeiteten zu vorgeschriebenen Zeiten an einem vorgeschriebenen Ort (im Büro). Einige Firmen hatten begonnen, sich in den unteren rechten Quadranten vorzuwagen, indem sie flexiblere Arbeitszeiten zuließen. Andere übten sich im oberen linken Quadranten in Experimenten und boten ihren Teams mehr Flexibilität bei der Wahl des Arbeitsorts, was in aller Regel bedeutete: von zu Hause aus. Nur sehr wenige Firmen jedoch bewegten sich direkt in den Quadranten oben rechts, der für das Konzept vom "Arbeiten überall, jederzeit" steht – das Hybridmodell.

Diese Dynamik ändert sich gerade. Während wir die Pandemie langsam hinter uns lassen, setzen Unternehmen bereits auf flexible Arbeitsmodelle, die sowohl die Produktivität als auch die Zufriedenheit der Mitarbeiter deutlich steigern können. Damit dies gelingt, müssen Manager – das haben meine Studien gezeigt – die Herausforderung allerdings aus vier verschiedenen Blickwinkeln betrachten: (1) Aufgaben und Tätigkeiten, (2) Mitarbeiterpräferenzen, (3) Projekte und Workflows sowie(4) Inklusion und Fairness.

1. Aufgaben und Tätigkeiten

Als Erstes geht es darum, die zentralen Produktivitätsfaktoren zu verstehen: Energie, Konzentration, Koordination und Kooperation. Anschließend gilt es zu überlegen, wie diese Faktoren durch Änderungen der Arbeitsorganisation entlang der Orts- und Zeitachse beeinflusst werden.

Betrachten wir zur Veranschaulichung einige Rollen im Unternehmen, ihre zentralen Aufgaben und die damit verbundenen Anforderungen hinsichtlich Zeit und Ort:

Stratege. In dieser Rolle ist Konzentration ein entscheidender Faktor für die Produktivität. Strategische Planer müssen oft ungestört arbeiten können, über längere Zeitfenster von mindestens drei Stunden am Stück, in denen sie etwa Marktinformationen sammeln und Businesspläne entwickeln. Die Achse, die der Konzentration am förderlichsten ist, ist Zeit – insbesondere asynchrone Zeit. Wenn strategische Planer nicht länger auf die Zeitpläne anderer Rücksicht nehmen müssen, wird der Ort nebensächlich: Sie können dann entweder in den eigenen vier Wänden oder im Büro arbeiten.

Teamleiter. Hier ist Koordination der zentrale Produktivitätstreiber. Manager müssen den Mitgliedern ihres Teams regelmäßig und zeitnah Feedback geben. Sie müssen an Gesprächen und Verhandlungen teilnehmen, sich über Best Practices austauschen und Mitarbeiter anleiten und coachen. Die Achse, die diesen Aspekt der Produktivität am ehesten begünstigt, ist wiederum Zeit – die dieses Mal allerdings synchron sein muss. Lässt sich diese Synchronität arrangieren, ist der Ort auch in diesem Fall weniger wichtig: Managerinnen und Mitarbeiter können ihre Koordinationsaufgaben gemeinsam im Büro oder über Plattformen wie Zoom und Microsoft Teams vom Homeoffice aus erledigen.

Produktinnovator. Maßgeblicher Faktor für diese Rolle ist Kooperation. Hierfür ist der Ort die relevante Achse. Innovation wird durch den persönlichen Kontakt mit Kolleginnen, Mitarbeitern und Kunden angeregt, die Ideen generieren: beim Brainstorming in kleinen Gruppen, bei zufälligen Zusammentreffen auf dem Flur, bei spontanen informellen Gesprächen zwischen den Meetings, bei Gruppensitzungen. Diese Art der Zusammenarbeit wird durch einen gemeinsamen Ort begünstigt – ein Büro oder ein Kreativzentrum, das Menschen die Chance bietet, sich kennenzulernen und persönlich auszutauschen. Daher müssen kooperative Tätigkeiten synchron und an einem bestimmten Ort stattfinden. Mit Blick auf die Zukunft ist allerdings zu erwarten, dass durch die Entwicklung immer ausgefeilterer Kooperationstools der gemeinsame physische Raum an Bedeutung verliert.

Marketingleiter. In dieser Rolle ist – wie in den meisten Rollen – fortwährend viel Energie von großer Bedeutung. Sowohl Zeit als auch Ort können diesbezüglich relevant sein. Wie wir während der Pandemie gelernt haben, empfinden viele Menschen das Arbeiten zu Hause als kraftgebend. Lange Arbeitswege entfallen; sie können sich tagsüber Zeit für Sport und Spaziergänge nehmen, gesünder essen und mehr Zeit mit ihren Familien verbringen.

Die Herausforderung bei der Konzeption hybrider Arbeitsmodelle besteht nicht nur darin, die Vorteile zu optimieren, sondern auch die Nachteile zu minimieren und Zielkonflikte zu erkennen. Das Arbeiten in den eigenen vier Wänden kann die Energie steigern, es kann aber auch Isolation erzeugen und die Zusammenarbeit erschweren. Ebenso kann das Arbeiten nach einem synchronen Zeitplan die Koordination mit anderen verbessern, aber auch ständige Diskussionen und Unterbrechungen fördern, die die Konzentration stören.

Um diesen potenziellen Nachteilen entgegenzuwirken, haben sich Hiramatsu und sein Team bei Fujitsu ein Ökosystem von Orten einfallen lassen. Sie nennen es Borderless Office – "Grenzenloses Büro". Ausgerichtet an den spezifischen Produktivitätsfaktoren der Teams und ihrer Mitglieder, gibt es unterschiedliche Formen von Arbeitsorten: Hubs, die die Kooperation maximieren, Satelliten, die die Koordination erleichtern, und Shared Offices, die Konzentration ermöglichen.

Fujitsus Hubs, die in vielen größeren Städten zu finden sind, fördern funktionsübergreifende Zusammenarbeit und zufällige Begegnungen. Sie bestehen aus komfortablen, einladenden Großraumbüros, ausgestattet mit dem neuesten technischen Equipment, wie es für Brainstorming, Teambuilding und die gemeinsame Entwicklung neuer Produkte erforderlich ist. Wenn Mitarbeiter von Fujitsu kreativ mit Kundinnen oder Partnern zusammenarbeiten wollen, laden sie diese in einen Hub ein.

Die Satelliten des Unternehmens wiederum sind Räumlichkeiten, die die Abstimmung in und zwischen Teams erleichtern sollen, die an gemeinsamen Projekten arbeiten. Es gibt dort Besprechungsräume, in denen Teams zusammenkommen können, sowohl physisch als auch virtuell, unterstützt von sicheren Netzwerken und modernsten Videokonferenzsystemen. Diese Möglichkeiten der Koordination, insbesondere der persönlichen Interaktion, wirken dem Gefühl der Isolation und Vereinsamung entgegen.

Shared Offices, die den größten Teil des innovativen Raumkonzepts von Fujitsu ausmachen, sind über ganz Japan verteilt, häufig in unmittelbarer Nähe eines Bahnhofs gelegen oder gar im Bahnhof selbst. Sie können für kürzere Aufenthalte genutzt werden, wenn Mitarbeiter auf Dienstreise sind, oder als Alternative zum Homeoffice: ruhig, gut erreichbar, die Pendelzeit minimierend. Ihr Zweck ist Konzentration. Die Shared Offices sind mit Schreibtischen und Internetanschlüssen ausgestattet. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können unabhängig und ungestört arbeiten, an Onlinemeetings teilnehmen oder sich online weiterbilden.

2. Mitarbeiterpräferenzen

Wie wir optimale Produktivität und Performance erreichen, variiert und hängt von persönlichen Neigungen und Vorlieben ab. Berücksichtigen Sie bei der Gestaltung hybrider Arbeitsformen immer die Präferenzen Ihrer Kolleginnen und Kollegen. Helfen Sie ihnen, diese Präferenzen zu erkennen und ihnen Rechnung zu tragen.

Stellen Sie sich zwei Strategen vor, die den gleichen Job im selben Unternehmen haben. Bei beiden ist Konzentration ein entscheidender Faktor für ihre Leistung. Einer der beiden, Jorge, ist 40 Jahre alt. Er wohnt mit seiner Familie relativ weit vom Büro entfernt, sodass ihn der Arbeitsweg jeden Tag rund zwei Stunden kostet. Er hat ein gut ausgestattetes Homeoffice, seine Kinder besuchen tagsüber die Schule – insofern liegt es auf der Hand, dass Jorge sich am produktivsten fühlt und am konzentriertesten ist, wenn er die Fahrzeit einsparen und in Ruhe allein zu Hause arbeiten kann. Er bevorzugt, nur ein- oder zweimal in der Woche ins Büro zu kommen, um sich mit seinem Team zu treffen.

Die Situation von Lillian, 28, ist ganz anders. Sie lebt im Stadtzentrum und teilt sich eine kleine Wohnung mit drei anderen Personen. Aufgrund ihrer Wohnsituation kann sie nicht zu Hause arbeiten, ohne gestört zu werden. Um sich gut konzentrieren zu können, geht sie am liebsten ins Büro. Dieses ist nicht weit von ihrem Domizil entfernt.

Jorge und Lillian unterscheiden sich noch in einer anderen Hinsicht: der Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit. Auch diese wirkt sich auf ihre Präferenzen aus. Jorge ist seit acht Jahren in der Firma und hat in dieser Zeit ein starkes Netzwerk aufgebaut, die Anwesenheit im Büro ist für sein berufliches Vorankommen also weniger entscheidend. Lillian hingegen ist neu in ihrem Job, sie wünscht sich Betreuung und Coaching durch Mentoren – das erfordert Zeit und den persönlichen Kontakt mit anderen im Büro.

"Neue Modelle hybriden Arbeitens sollten niemals die Fehler der bisherigen Praxis reproduzieren – so wie es vor Jahrzehnten der Fall war, als Unternehmen anfingen, Arbeitsprozesse zu automatisieren."

Unternehmen, die sich bereits auf dem Weg in eine hybride Arbeitswelt befinden, lernen, diese aus der Perspektive ihrer Mitarbeiter zu betrachten. Viele von ihnen, wie zum Beispiel ein IT-Unternehmen aus dem Kreis des Future of Work Consortiums, stellen Führungskräften zwecks besserer Diagnose Umfragetools zur Verfügung. Damit können sie die persönlichen Vorlieben, den Arbeitskontext und die Hauptaufgaben ihres Teams besser verstehen. Sie zeigen ihnen etwa, wo ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich besonders energiegeladen fühlen, ob sie über ein gut ausgestattetes Homeoffice verfügen und welche Bedürfnisse sie hinsichtlich Kooperation, Koordination und Konzentration haben.

Der norwegische Energiekonzern Equinor fand kürzlich einen cleveren Weg, seine Mitarbeiter besser zu verstehen. Er befragte seine Beschäftigten zu ihren Präferenzen und entwickelte daraus neun Personas, auf die er jeweils unterschiedliche Richtlinien für hybride Arbeitsformen zuschnitt. Eine dieser Personas ist "Anna". Anna ist Bereichsleiterin in Oslo und seit 20 Jahren im Unternehmen. Sie hat drei Kinder im Teenageralter und braucht mit dem Fahrrad 40 Minuten bis ins Büro. Vor Corona arbeitete sie jede zweite Woche von zu Hause aus, hauptsächlich um sich besser konzentrieren zu können. Jetzt, da ihre Teenager Homeschooling haben, ist sie beim Arbeiten zu Hause oft abgelenkt. Sobald die Pandemie einmal hinter uns liegt und ihre Kinder wieder zur Schule gehen, würde sie gern zwei Tage pro Woche im Homeoffice verbringen, um konzentriert zu arbeiten, und drei Tage im Büro, um mit ihrem Team zusammenzukommen.

Führungskräfte, die nach Arbeitsmodellen suchen, die optimal zu ihrem Team passen, könnten beispielsweise überlegen: Wie beeinflussen "Annas" Lebensumstände und Präferenzen ihre Kooperationsfähigkeit? Allgemeiner gesprochen: Manager müssen bedenken, was es heißt, wenn verschiedene Personas in virtuellen Teams zusammenarbeiten. Welche Risiken bestehen in diesem Fall für die Sicherheit und Effektivität des Unternehmens? Wie wirken sich die Veränderungen auf Zusammenarbeit, Führung und Kultur aus? Welche Folgen könnte das Ganze in Bezug auf Steuern, Compliance und die Reputation nach außen haben?

3. Projekte und Workflows

Damit hybrides Arbeiten ein Erfolg wird, gilt es auch zu berücksichtigen, wie die jeweilige Tätigkeit erledigt wird. Der Vorgesetzte von Jorge und Lillian, den zwei bereits erwähnten Strategen, muss nicht nur deren Bedürfnisse und Präferenzen bedenken, sondern auch ihrer beider Arbeit mit der von weiteren Teammitgliedern koordinieren – sowie mit anderen, die von ihrer Arbeit abhängen und deren Ergebnisse nutzen. Koordination war relativ einfach, als alle Teammitglieder noch zur gleichen Zeit im gleichen Büro arbeiteten. In der Ära hybriden Arbeitens ist die Sache deutlich komplexer geworden. Ich habe beobachtet, dass Führungskräfte dieses Problem auf zweierlei Art angehen.

Eine Möglichkeit ist, zur Abstimmung deutlich stärker auf neue Technologien zu setzen, wenn Beschäftigte zu flexibleren Arbeitskonzepten übergehen. Nehmen wir Jonas, einen Mitarbeiter von Equinor: Jonas arbeitet als Ingenieur im norwegischen Kollsnes, in einer Aufbereitungsanlage für Erdgas aus der Nordsee. Nach dem Ausbruch der Pandemie ermöglichte die Werksleitung Jonas und seinem Team, einige Inspektionsaufgaben von zu Hause aus zu erledigen, indem sie ihnen modernste Video- und Digitaltools bereitstellte. Dazu gehören etwa Roboter, die sich in der Anlage bewegen und detailliert aktuelle visuelle Daten aufzeichnen, die dann zwecks Analyse an alle Teammitglieder gestreamt werden. Dank dieser Innovation können Jonas und seine Kollegen nun sehr effektive Sicherheitsinspektionen aus der Ferne durchführen.

Führungskräfte bei Fujitsu wiederum nutzen, während sie mit neuen Arbeitsmodellen innerhalb der Zeit-Raum-Matrix experimentieren, eine Reihe digitaler Tools, um die unterschiedlichen Tätigkeiten ihrer Teams zu kategorisieren und zu visualisieren. Das erlaubt ihnen, das Arbeitspensum von einzelnen Personen und ganzen Gruppen besser einzuschätzen, die Bedingungen des mobilen Arbeitens zu analysieren und Arbeitsprognosen zu validieren. Indem sie Bewegungsdaten und Informationen zur Raumnutzung und Raumbelegung auswerten, können Teamleiter auch die Arbeitsmuster von Mitarbeitern erkennen. Das hilft den Fujitsu-Managern, ihre Workflows und Projekte bestmöglich zu gestalten.

Andere Unternehmen begreifen das Problem als Chance, Workflows völlig neu zu konzipieren. Neue Hybridmodelle sollten niemals die Fehler der bisherigen Praxis reproduzieren – wie es leider häufig der Fall war, als Unternehmen vor einigen Jahrzehnten anfingen, Arbeitsprozesse zu automatisieren. Anstatt Arbeitsprozesse neu zu gestalten, um die Vorteile der neuen Technologien in Gänze nutzen zu können, stülpten viele Unternehmen diese einfach über bestehende Abläufe. Auf diese Weise behielten sie ungewollt deren Schwachstellen, Eigenheiten und Behelfslösungen bei. Oftmals begannen die Firmen erst Jahre später und nach schmerzhaften Runden des Reengineerings, das Beste aus den neuen Technologien herauszuholen.

Für die Entwicklung effizienter hybrider Arbeitsmodalitäten ist es extrem wichtig, die Workflows von Anfang an richtig zu gestalten. Die Führungskräfte einer Privatkundenbank in unserem Forschungsverbund nutzten zur Analyse und Neukonzeption von Workflows drei entscheidende Fragen:

Sind irgendwelche Teamaufgaben überflüssig? Als die Führungskräfte der Bank sich diese Frage stellten, wurde ihnen klar, dass sie in ihrem neuen Hybridmodell viel zu viele traditionelle Meetings beibehalten hatten. Indem sie einige abschafften und andere (wie Status-Updates) asynchron machten, steigerten sie die Produktivität.

Können irgendwelche Aufgaben automatisiert oder an Personen außerhalb des Teams übertragen werden? Die Bankmanager erkannten: Beim hybriden Arbeiten lautete die Antwort in vielen Fällen schlicht Ja. Nehmen wir beispielsweise den Ablauf einer Kontoeröffnung für einen hoch vermögenden Neukunden: Vor Corona ging man davon aus, dass dafür persönliche Treffen und Unterschriften des Kunden nötig waren. Jetzt, dank des neuartigen Prozesses, der während der Pandemie eingeführt wurde, schätzen Bankangestellte und Kunden gleichermaßen die einfache Handhabung und den Wert der elektronischen Signatur.

Können wir uns einen neuen Nutzungszweck für unseren Arbeitsplatz vorstellen? Auch hier war die Antwort: Ja. Um ihr Hybridmodell zum Erfolg zu führen, beschlossen die Führungskräfte der Bank, die bestehenden Räumlichkeiten so zu modifizieren, dass sie Zusammenarbeit und Kreativität fördern. Zudem investierten sie verstärkt in Tools, die es den Beschäftigten ermöglichen, gemeinsam und effektiv im Homeoffice zu arbeiten.

4. Inklusion und Fairness

Achten Sie besonders auf Fragen der Inklusion und Fairness, wenn Sie hybride Abläufe, Methoden und Prozesse entwickeln. Dies ist von entscheidender Bedeutung. Denn Untersuchungen zeigen, dass ein Gefühl mangelnder Fairness am Arbeitsplatz die Produktivität beeinträchtigt, das Risiko eines Burn-outs verstärken, die Zusammenarbeit erschweren und die Mitarbeiterbindung schwächen kann.

Wenn Unternehmen in der Vergangenheit mit flexiblen Arbeitsmodellen experimentierten, erlaubten sie in der Regel einzelnen Führungskräften, den Prozess ad hoc zu steuern. Dies führte dazu, dass verschiedenen Abteilungen und Teams ein unterschiedlicher Grad an Flexibilität und Freiheit gewährt wurde. Dies führte unweigerlich zu Vorwürfen der Unfairness. Und natürlich hatten viele Beschäftigte auch zeit- und ortsabhängige Jobs, die hybrides Arbeiten entweder unmöglich machten oder nur suboptimale Lösungen erlaubten. Diese Beschäftigten fühlten sich oft ungerecht behandelt.

"Wenn Sie Aufgaben und Tätigkeiten betrachten, sollten Sie überlegen, wie die dafür zentralen Produktivitätsfaktoren – Energie, Konzentration, Koordination und Kooperation – durch Änderungen der Arbeitsorganisation beeinflusst werden."

Ein mustergültiger Vorreiter in Sachen Inklusion und Fairness ist die internationale (Rück-)Versicherungsgruppe Brit Insurance. Als der CEO des Unternehmens, Matthew Wilson, und seine Chief Engagement Officer Lorraine Denny Anfang 2020 mit der Planung und Umsetzung neuer Arbeitsmodelle begannen, trafen sie eine mutige Entscheidung: Anstatt beim Planungsprozess die "üblichen Verdächtigen" zu konsultieren, wählten sie nach dem Zufallsprinzip Mitarbeiterinnen und Kollegen aus Büros in den USA, Bermuda und London aus und luden sie ein, sich aktiv zu beteiligen. Insgesamt handelte es sich um 10 Prozent der Belegschaft, von der Rezeptionistin bis zum Senior Underwriter.

In den folgenden sechs Monaten arbeiteten Teams mit je sechs Mitarbeitern aus verschiedenen Abteilungen, Ebenen und Generationen virtuell zusammen. In einem ersten Schritt erstellten sie mithilfe von Diagnosetools ein Profil ihrer eigenen Arbeitsmöglichkeiten und -präferenzen und tauschten sich darüber aus. Dann folgte eine Reihe von Lernmodulen, um gemeinsam herauszufinden, wie eine Zusammenarbeit aussehen muss, die die Bedürfnisse der anderen und des Unternehmens als Ganzes bestmöglich erfüllt. Schließlich nahmen sie an einem halbtägigen virtuellen Hackathon teil, bei dem sie Ideen entwickelten und diese dem CEO präsentierten. Ergebnis war das "Brit Playbook", das ein paar der neuen Möglichkeiten beschrieb, wie alle künftig unternehmensweit zusammenarbeiten würden.

Selina Millstam, Vice President und Head of Talent Management bei dem schwedischen Telekommunikationskonzern Ericsson, leitete vor Kurzem ein ähnlich integratives, inklusives Projekt. Jedes neue Arbeitskonzept, so beschlossen sie und das Führungsteam, müsse in der Unternehmenskultur verwurzelt sein, zu deren wichtigsten Elementen "offene und freie Kommunikation", "Empathie" sowie "Kooperation und Kollaboration" gehören.

Um dies zu gewährleisten, luden Millstam und ihr Team im vergangenen Jahr Mitarbeiter zu "Jam-Sessions" ein. Diese wurden über einen Zeitraum von 72 Stunden virtuell abgehalten und von einem Moderatorenteam unterstützt, das anschließend die Gesprächsverläufe analysierte. Vor allem einer dieser Jams, die ab Ende April 2020 stattfanden, war entscheidend dafür, dass sich Ericsson-Mitarbeiter darüber austauschen konnten, wie sich hybride Arbeitsweisen während der Pandemie auf die Unternehmenskultur auswirken könnten.

Mehr als 17.000 Beschäftigte aus 132 Ländern nahmen an diesem virtuellen Austausch teil. In den rund 28.000 Kommentaren der Teilnehmer zeigte sich, dass das Arbeiten während der Pandemie sowohl Herausforderungen (wie das Fehlen von Sozialkontakten) als auch Vorteile (wie eine höhere Produktivität dank geringerer Ablenkung) mit sich gebracht hatte.

Durch die Diskussionen erhielt die Führung von Ericsson ein differenzierteres Bild davon, welche Themen und Prioritäten sie bei der Planung hybrider Arbeitsmodelle zu beachten hatte. Jede Veränderung, das wurde ihnen klar, ruft ein Gefühl von Unfairness und Ungerechtigkeit hervor. So viele Mitarbeiter wie möglich in die Gestaltung einzubeziehen hilft, negativen Gefühlen vorzubeugen. Die Belegschaft muss sich gehört fühlen, die Meinungen anderer hören und spüren, dass die Veränderungen nicht einfach nur der Laune und den Befindlichkeiten einzelner Manager entspringen.

Fazit

Wie also können Sie Ihr Unternehmen in Richtung eines "Überall und jederzeit"-Modells voranbringen? Definieren Sie zunächst die wichtigsten Aufgaben und Tätigkeiten. Ermitteln Sie die jeweiligen Treiber für Produktivität und Performance, und überlegen Sie anschließend, welche Regelungen den größten Erfolg versprechen. Binden Sie Mitarbeiter in den Prozess ein. Eruieren Sie mittels einer Kombination aus Umfragen, Personas und Interviews, was die Mitarbeiter wirklich wünschen und brauchen. Dies wird sich von Unternehmen zu Unternehmen erheblich unterscheiden – vermeiden Sie vermeintliche Patentrezepte.

Denken Sie groß und kreativ mit dem Ziel, Doppelarbeit und unproduktive Elemente des Status quo zu eliminieren. Kommunizieren Sie offen und in der Breite, sodass jeder Mitarbeiter zu jedem Zeitpunkt des Prozesses begreift, dass hybrides Arbeiten die Produktivität steigert und nicht senkt. Schulen Sie Führungskräfte in der Leitung hybrider Teams. Investieren Sie in Koordinationstools, die die Abstimmung in und zwischen Teams erleichtern. Zu guter Letzt sollten Sie prüfen, ob Ihre neuen hybriden Arbeitskonzepte, wie auch immer sie aussehen mögen, die Werte Ihres Unternehmens spiegeln und seine Kultur unterstützen. Ziehen Sie sorgfältig und überlegt Bilanz: Vermitteln die Veränderungen, die Sie vorgenommen haben, eine Perspektive, die jeder im Unternehmen als attraktiv, fair, inspirierend und sinnhaft empfindet?

Die Autorin

Lynda Gratton ist Professorin für Management Practice an der London Business School und Gründerin von HSM, einer Beratung, die sich mit der Zukunft der Arbeit befasst. Ihr jüngstes Buch, das sie gemeinsam mit dem Ökonomieprofessor Andrew J. Scott verfasst hat, trägt den Titel "The New Long Life: A Framework for Flourishing in a Changing World".

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